Zu deren Missvergnügen beschied B. den Herren, dass er leider ziemlich verarmt sei und sozusagen keine Barmittel mehr im Hause verwahre. Die wollten nun beim besten willen nicht glauben, eine Niete gezogen zu haben. Naja, ganz so verarmt ist B. vielleicht doch wieder nicht, aber leider hat er seine Mittel sicher im Bankwesen deponiert. Alles andere wäre ja, sagt er, schlicht zu gefährlich heutzutage, wie das aktuelle Beispiel zeige…
B. wurde an den Armen festgehalten, und wenn er sich umwandte, um die Fragen der Herren zu beantworten, so waren diese streng dagegen, dass er ihnen ins Gesicht sehe. Nein, er besitze nur zwei Portemonnaies, eines für seine Aufenthalte in der EU und eines für die Schweiz.
Nun wurde B. in die Gästetoilette gedrängt, wo er in die Ecke zu schauen hatte, wie ein böser Schuljunge. Die Tür blieb einen Spalt offen, davor hielt einer der Herren Wache.
Der andere durchwühlte derweilen B.’s Schreibtisch, fand die Geldbörsen und entnahm sämtliche Banknoten, aber die Münzen, auch diejenigen in der obersten Schreibtischschublade, fanden kein Interesse, und die eigentliche Banknoten-Hauptkasse war schon immer so platziert, dass sie nicht gerade einfach so ohne weiteres ins Auge fällt.
Das unmittelbar neben dem Schreibtisch ein hübscher dunkelblauer kleiner Tresor steht, wurde nicht einmal bemerkt, obwohl das Zimmer in Erwartung würdigen Besuches in absoluter Festbeleuchtung erstrahlte.
Nein, ein wirklicher Tresor ist nicht vorhanden, aber B. verwahrt ein klein wenig Bargeld im Keller. Das gefiel nun aber gar nicht, denn die Herren wollten nicht im Haus spazieren gehen, wie sie wörtlich sagten. Das ist nachvollziehbar, denn wenn uns irgendein Mitbewohner sieht, B. wie immer mit frohgelaunter Miene, aber hinter sich zwei bewaffnete Unbekannte, hätte das möglicherweise einen schlechten Eindruck auf meine Nachbarn gemacht.
Die Herren legten nun einen drauf, denn ihr Interesse an irgendwelchen Tresoren war und blieb ungebrochen. Sie drückten B. mal wieder zum Spass die Smith & Wesson an die Rippen und fesselten B.’s Hände mit Kabelbindern auf den Rücken – und nötigten ihn weiterhin, in der Gästetoilette auszuharren. B. überlegte sich, ober einen Ohnmachtsanfall oder so was vortäuschen solle, aber da wäre er möglicherweise mit einem unsanften Tritt in die Eier wieder geweckt worden.
An dieser Stelle bereute B., nie Schauspielunterricht genommen zu haben.
Der Abend verlief, so gesehen, etwas unerwartet. Obwohl B. grundsätzlich ein eher hektisch und nervös wirkender Mensch ist, gibt es Dinge, die regen ihn überhaupt nicht auf. Raubüberfälle, zum Beispiel. Einmal ist das erste Mal im Leben. Eine stoische Weltanschauung hat ihre Vorteile.
B. blieb zwar höflich, zeigte aber eine gewisse Unlust und Ungeduld ob der Störung seines Feierabends, und er liess das seine ungebetenen Gäste spüren. Von Angst und Zittern oder gar einem Betteln und Winseln um das eigene Leben, kann nicht die Rede sein. Mit 61 1/2 Jahren B. ja gar nicht mehr so viel zu verlieren wie ein jüngerer. Möglicherweise hat B.’s kalkulierte Unfreundlichkeit bei gleichzeitiger, wenn auch materiell begrenzter Hilfsbereitschaft, vermutlich dazu beigetragen, die Dinge im weiteren Verlauf zum Guten zu wenden. Soviel vorweg.
B. hockte sich inzwischen gemütlich (?) auf die Toilette (Deckel zu) und dachte darüber nach, wie er die Kabelbinder loswerden könnte. Ist man vorne gefesselt, gibt’s da einen Trick, aber dem war nicht so. Oder ob er, wenn er beispielsweise im richtigen Raum wäre, seinen eigenen Revolver zücken und diesen offenkundigen Waffennarren eine richtige Freude bereiten könnte, so mit schiessen aus der Hinterhand mit auf den Rücken gebundenen Händen. Zumindest der Überraschungseffekt hätte Staunen hervorgerufen. Für Träume im Stil von “B. als John Wayne” war aber keine Zeit. B. musste aufmerksam bleiben.
Stattdessen kamen die ungebetenen Gäste wieder einmal in die Toilette und hielten B. ihren schwarzen Revolver an die Milz. Etwas klügeres als die ständige Frage nach einem Tresor fiel Ihnen aber auch diesmal nicht ein.
B., von Haus aus immer freundlich und bereit, Mitmenschen in Not nach Kräften zu unterstützen, wollte weiterhin Zeit mit einem Kellerbesuch gewinnen, allenfalls hätten sich die Gäste dann dort mit Rotwein voll gesoffen, das wären nicht die ersten gewesen. Nein, seine Tresore seien allesamt furchtbar leer und enthielten nur Dossiers. Aber wer den horror vacui (vor allem den Anblick vor leeren Safes) nicht kennt und sich ihn nicht vorstellen kann, der muss eben fühlen. Also geleitete der gefesselte B. seine Gäste in das Sekretariat, wo diese auf seine Anweisung hin eine Kommodentür öffneten und dahinter tatsächlich einen hübschen Tresor entdeckten. Gottseidank war dieser abgesperrt, denn hin und wieder wird er versehentlich offen gelassen weil er tatsächlich nichts wertvolles enthält. Das wäre dann unglaubwürdig rüber gekommen und hätte die Gäste sicherlich enttäuscht. Nur was versperrt ist, verbirgt auch was wertvolles.
Nun kommt die Frage nach der Zahlenkombination. B. sprach kluge Worte, so im Stil von “Edel sei der Mensch, hilfreich und gut”, was aber überhaupt nicht gut ankam, denn die Herren fühlten sich durch den Spruch auf die Schippe genommen und kapierten nicht ohne weiteres, dass vielleicht das E von “Edel”auf der Tastatur der Zahl 2 entspricht und so weiter… Erst einmal musste man mehr Licht machen, um überhaupt die Tastatur zu sehen, dann drückte der Klügere von den beiden das geistvolle Passwort auf die Tastatur und siehe da, nach dem zweiten Versuch – Sesam, öffne dich – fanden sich, wie von B. angekündigt, lediglich geheimnisvolle Akten, die nach Wertsachen durchsucht und anstandslos wieder ordentlich in den Tresor zurückgelegt wurden. Die schlossen doch tatsächlich die Tresortür wieder brav ab, so ordnungsliebende Leute sieht man doch immer wieder gerne.
Tja, B. hat nun mal den Ruf ein reicher Mann zu sein, aber das war in besseren Zeiten und so gilt was schon Gorbatschow sagte:
Wer zu spät kommt, und sei es als Räuber, den bestraft das Leben.
Erneut bietet B. in völliger Gelassenheit und Freundlichkeit eine kleine Kellerführung an. In einer Schublade verwahre er dort die nicht unbeträchtliche Summe von circa CHF 750 (ja, siebenhundertundfünfzig), mehr sei beim besten Willen so kurzfristig nicht aufzutreiben.
Doch als sei erneuter Vorschlag nicht auf das gewünschte Gehör stiess, wollte er beweisen, dass in der Büroetage ohnehin wirklich nichts zu holen sei, auch der zweite Tresor sei leider Gottes leer. Peinlich, den Tresor hat B. schon so lange nicht mehr aufgemacht, dass die Batterien ausgelaufen waren und die Herren so nicht in den Genuss von circa CHF 250 zuzüglich einer absichtlich dort gelagerten Sammlung von Banknoten-Banderolen kamen. Damit gedenkt B. nämlich, ungebetenen Besuchern seinen einstigen Reichtum anschaulich vor Augen zu führen, und sie gleichzeitig mit der bitteren Realität vertraut zu machen.
Zwischendurch kam man auf die Idee, die schweren Nachtvorhänge zu ziehen. Räuberei kennt Diskretion; fast wie Banker.
Als liebenswürdiger ältere Herr wollte er jedoch seine Gäste nicht mit leeren Händen ziehen lassen, denn es zahlt sich immer aus, durch Grosszügigkeit Freunde zu gewinnen. Zumal bei Räubern möge man stets bedenken, dass diese einen gewissen Gesichtsverlust vor sich selbst erleiden, wenn sie durch den Besitzwillen eines Geizhalses gezwungen sind, ein ungastliches Haus mit leeren Händen zu verlassen.
Also verwies er die Herren auf eine kleinere Banknotensammlung irgendwo in Nähe seines Schreibtisches, wo diese eine Summe von rund Fr. 3.000 behändigten. Natürlich schämte sich B. ungemein, dass etwa die Hälfte davon nur minderwertige Euro waren, sowie etwa sechs oder sieben Kuverts mit geringen Beträgen an verfluchten Exotenwährungen, wie Brexit-Pfund, türkischen Lira und anderes Gerümpel. B. hätte diese schon lange aus dem Hause tragen oder entsorgen wollen, ist aber dankbar, dass Sie nunmehr abgeholt wurden und offensichtlich die Situation günstig beeinflussten.
Nachdem B. erneut seine Gästetoilette inspizieren musste und die Herren in seinen Sachen herumwühlten, spürte er bereits instinktiv, dass diesem langsam klar wurde, dass sie besser die Nationalbank überfallen hätten.
Dann kamen sie aber herein, und befahlen B. in die Knie zu gehen. B. fand diese Idee, die ihn an das Vorspiel zu einem Genickschuss erinnerte, irgendwie eigenartig, denn er wusste nicht was ihm da bevorstand, aber an sein letztes Stündchen wollte er dennnoch nicht so recht glauben.
Er maulte vernehmlich, liess sich aber schliesslich gewaltlos überzeugen und siehe da, das Leben geht weiter, den B.s nach wie vor auf den Rücken gefesselte Hände wurde nun mit einem weiteren Kabelbinder schlecht am Siphon des Waschbeckens befestigt. Da kauerte B. nun in gebückter Haltung rücklings zum Trog, wie ein Kriegsgefangener am Säulenfuss eines Heldendenkmals.
Die Suchereien im Hause gehen weiter, doch B. gelingt es unglaublicherweise mit einer einzigen, nicht einmal besonders kräftigen Bewegung, den Kabelbinder am Syphon zu lösen. Arglistig wie weiland Odysseus ruft er nun aber nicht, sie mögen doch wiederkommen um ihn erneut und diesmal doch bitte besser anbinden, sondern kauert weiterhin vor dem Waschbecken, als ob er noch daran gefesselt wäre.
Immer wieder guckte der eine herein, aber B. vermeint instinktiv zu spüren, dass die Herren ihren anfangs festen Glauben an den materiellen Glanz des Hauses B. sukzessive verloren haben.
Die Gäste erklärten schliesslich, sie wollten sich nun doch im Keller umsehen, aber ohne B. Das ist ein gutes Omen, denn sie Fragen nicht einmal, welches den B.s Kellerabteil sei.
Er möge sich einstweilen ruhig verhalten, wenn er Rabatz mache, würden sie sogleich wiederkommen. Sie schlossen die Klotür, und zumindest einer verliess die Wohnung und schloss – soweit erinnerlich – auch die Wohnungstür hinter sich, womit sie sich den Rückweg in die Wohnung verbauten…. Da auch der andere nicht mehr hörbar war, schien es so, als ob beide gleichzeitig in den Keller gegangen wären, in dem sicheren glauben, B. gut an das Lavabo gefesselt zu haben.
Da erhob sich der Gastgeber, schritt beschwingt zur Wohnungstür und konnte diese trotz seiner Fesselung mit dem zweiten Schloss verriegeln. Die Tür hat B. vor langer Zeit gut verstärken lassen, so dass er sich nun schon in ziemlicher Sicherheit fühlen durfte.
Ein Wellschliff-Küchenmesserchen aus einer Schublade zu nehmen ist gefesselt nicht möglich vor allem wenn diese nicht ganz vorne in der Schublade liegen.
Dann besser erst mal die Polizei aufbieten.
Eine Telefonnummer wählen mit auf den Rücken gefesselten Händen ist nicht jedermanns Sache, B. Ist ja nicht Houdini. Aber das Telefon auf dem Schreibtisch war sowieso nicht mehr erleuchtet, also irgendwie ausser Gefecht gesetzt [später zeigte sich, dass sämtliche Kabel durchschnitten waren]. Das Gerät in der Küche hingegen, übrigens auch dasjenige auf der anderen Seite des Schreibtisches selbst (!) und am Leseplatz hatten die ortsunkundigen Gäste ebenfalls übersehen. So ein armer Räuber leidet halt unter Stress, dafür muss man als Opfer schon Verständnis aufbringen.
Aja, das Mobile hatten sie B. (erst) anlässlich der Fesselung abgenommen, nun fand sich das teure Ding U-förmig verbogen auf dem Divan, man sah in seine Eingeweide, und einige Handy-Splitter lagen umher.
B. musste also mit den Zähnen in das Küchentelefon beissen, wie ein Hund in einen Knochen, um das Standgerät so an den Rand der Kombüse zu bringen, dass er es ergreifen und die Nummer 117 wählen konnte. Auch konnte er es nicht schön an den Mund halten sondern musste einfach relativ laut der Polizistin schildern, was vorgefallen sei, Hallo, Überfall in der Gerechtigkeitsgasse 25 , Täter möglicherweise noch im Haus, man möge sich beeilen. Fertig.
Das war um 19:20 Uhr, rund 20 Minuten nach dem Beginn des Abenteuers.
Alsdann gelang es B., ein Messerchen vom magnetischen Küchenbrett zu nehmen und tatsächlich, nur mit einer kleinen Schnittwunde am linken Handgelenk, konnte er sich befreien.