Denkfehler bei Zweckvermögen

Denkfehler bei Zweckvermögen

Der typische historisch gewohnte Zinssatz, etwa im schweizerischen Obligationenrecht, beträgt 5 % pro Jahr. Hypothekar- und Staatsanleihezinsen haben in der Vergangenheit meist zwischen 3,5 und 6,5 % geschwankt.

Darauf basierend kommt es in der Praxis oft vor, dass eine Vermögensmasse so angelegt werden soll, dass die Zinsen und Dividenden für laufende Ausschüttungen (also für die Förderung des Stiftungzweckes, wie gute Werke, oder auch schlicht für die Lebenshaltungskosten begünstigter Personen) verwendet werden sollen, währenddem das eigentliche Kapital erhalten bleiben sollte.

 

 

Man geniesst die Früchte und lässt den Baum stehen.
Das ist zumindest die fromme Absicht.

Damit wird schon der erste grosse Fehler begangen, denn die Inflation in der Wirtschaftsboomzeit etwa ab den 60er-Jahren bis in die 90er- hinein wurde generell nirgends berücksichtigt.

Hat eine Vermögensmasse, wie allgemein üblich, stets den Nominalertrag und nicht den Realzins ausgeschüttet, unterlag das Kapital voll der Inflation.

Von der ursprünglich gewünschten Kapitalerhaltung kann dann nicht mehr die Rede sein…

 

Beispiel

Vermögen 100.000, Couponertrag 5%, daher Ausschüttung 5 %, Nichtbeachtung von 3 % Inflation – so liegt das reale Vermögen im nächsten Jahr bei 97.000.

Um die Kaufkraft des Vermögens zu erhalten, hätte man nur 2 % ausschütten dürfen.

 

Eine Volkswirtschaft kann mittel- bis langfristig nur einen Realzins von ungefähr 2 % verkraften, in der Praxis liegt er jedoch regelmässig tiefer, so auch derzeit, bei der heutigen riesigen Schuldenlast würde das System unter zu hohen Realzinsen zusammenbrechen. Lediglich bei einem hohen realen Wirtschaftswachstum kann auch ein hoher Realzins erzielt werden, so etwa ca. 1870 – 1890.

Die amtlichen Zahlen betreffend Konsumentenpreisindex sind zudem bekanntlich mit Vorsicht zu geniessen, da sie aus politischen Gründen vielerorts manipuliert werden.

Der Zinsertrag unterliegt zudem oft der Kapitalertragsbesteuerung, z.B. 27,5% in Österreich oder der schweizerischen Verrechnungssteuer von 35%. So wird im Endeffekt allen Ernstes die Inflationsrate als Einkommen besteuert.

 

Der nächste große Fehler besteht in der Versuchung, möglichst ertragreiche Anlagen zu tätigen, welche regelmäßig ein im gleichen Maße erhöhtes Risiko beinhalten, denn meistens  bewertet der Markt das Risiko adäquat – insbesondere auf längere Sicht.

So wurden Ende der 70er-Jahre volkswirtschaftlich ungebildeten Anlegern  14 %ige australische  Bonds aufgedrängt, und prompt hat sich dann die Währung in Kürze in größerem Masse als der Mehrtrag gegenüber einer europäischen Anlage abgewertet. Im Endeeffekt konnten so aber satte 14 % ausgeschüttet werden, obwohl in Wahrheit kurz darauf ein Währungsverlust (zuzüglich eines Inflationsverlustes in der Heimatwährung) erzielt worden waren.

Es ist zwar eine volkswirtschaftliche Gesetzmässigkeit, dass die Währung eines Hochzinslandes mittelfristg abwertet und umgekehrt (etwa der niedrigverzinste Schweizerfranken steigt) – dennoch wird diese alte Erkenntnis gerne verdrängt, bis die Stunde der Wahrheit schlägt.

Begünstigte von Stiftungen neigen leider regelmässig dazu, die Zuständigen zu hoch verzinsten Anlagen zu bewegen, die dann womöglich in einem Fiasko enden.

Auf der anderen Seite werden ewigwährende Anlagen wie zum Beispiel Gold infolge seiner Zinslosigkeit gerne ganz bewusst vernachlässigt, um möglichst hohe Ausschüttungen zu ermöglichen.

 

Die hohe Anleihen-Rendite von 14-16% (oben) rächte sich mit einem Kursverlust von ca. 160 auf 100 (unten, ganz links, 1984)

Wird das Vermögen in stark schwankenden Anlagen, beispielsweise Aktien, angelegt so setzt man die Empfänger der Leistungen den Launen der Börse aus.

Hier ist die Gefahr gegeben, dass man noch gar nicht realisierte Gewinne ausschüttet, die sich beim nächsten Crash in Luft auflösen.

Dürfen hingegen satzungsgemäss nur realisierte Gewinne ausgeschüttet werden, so so führt dies u.U. zum Verkauf guter Anlagen, die man besser behalten hätte.

 

Schon früher war somit dieses Vorgehen, also die Ausschüttung “nur”der Erträge und die vermeintliche Erhaltung des Kapitals, ein einziger grosser Trugschluss und/oder eine Verführung zu unglücklichen Anlage-Entscheidungen. 

Selbstbetrug ist die einzige ethisch vertretbare Form des Betruges . . .

Nun hat sich diese Problematik in den letzten Jahren nochmals massiv verschärft:

Inzwischen liegen die Zinssätze vielerorts bei, manchmal sogar unter Null. Dies war historisch gesehen völlig denkunmöglich, daher hat auch niemand entsprechende Vorkehrungen getroffen.

Immerhin entfällt wenigstens weitgehend die Besteuerung des inflationsbedingten Scheinertrages.

Andererseits bleibt aber angesichts des +/- Nullergebnisses auch kein nomineller Ertrag übrig, der verteilt werden kann. Somit laufen derzeit viele wohltätige Stiftungen mangels Ertrages völlig auf Grund, zumal nach Abzug der Verwaltungskosten. Dasselbe gilt für privatnützige Stiftungen, deren unglücklich abgefasste Satzungen die Destinatäre in zinsarmen Zeiten verhungern lassen.

 

Also sehen wir, dass ein radikales Umdenken notwendig ist. Ansonsten erfüllen alle diese zweckgebundenen Vermögensmassen ihre Funktion nicht, und das Kapital, zumindest das in Nominalwerten angelegte, fällt irgendwann den Wirren der Zeit zum Opfer. Das kann es ganz einfach nicht gewesen sein.

Wir erkennen, dass, wie oben dargelegt, schon seit jeher in Wahrheit die Stiftungskapitalien angegriffen wurden, und es eigentlich nicht der Sinn und Zweck der gutgemeinten Sache sein kann, dass die Empfänger der Leistungen von der Zinspolitik der Zentralbanken beziehungsweise allfälligen inflationsbedingt hohen Nominalzinsen und/oder der Entwicklung der Börse abhängig sind. Somit ist keine (wünschenswerte) gleichmässige Ausschüttungspolitik möglich.

Es muss also eine andere Lösung als die sture Ertragssausschüttung gefunden werden.

Es ist m.E. absolut sinnvoll, regelmässig (meist jährlich) denselben Prozentsatz des Gesamtvermögens auszuschütten, und zwar gleichgültig, ob das nominelle oder auch das reale Stiftungskapital im Betrachtungszeitraum (i.e. meist im vergangenen Jahr) gestiegen ist oder nicht.

Ich stelle mir vor, dass wir hier von jährlichen Sätzen von 3 – 6 % sprechen, allenfalls auch deutlich mehr.

Es ist ja sinnvoll, ein Vermögen möglichst bald einen guten Zweck zuzuwenden und nicht auf den Jüngsten Tag zu warten – allzu oft haben Kriege oder Krisen Werte zerstört, die man wesentlich sinnstiftender vorher Bedürftigen hätte zukommen lassen können. 

In den meisten Fällen wird es ungefähr richtig sein, jährlich in etwa 6% auszuschütten.

Ich möchte dies allen Zuständigen sehr ans Herz legen.

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